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Eine bessere und nachhaltigere Geburtsvorbereitung hätte ich mir gar nicht wünschen können

M.

Ungeplant und plötzlich war ich schwanger. Ich habe mich total gefreut. Unsicherheiten und Ängste  tauchten auch bei mir etwas später auf. Eine Freundin empfahl mir Doris und erzählte mir von ihrer Geburtsvorbereitung. Ich wollte auch einen Hypnobirthing Kurs machen.  So habe ich Doris und ihre Arbeit kennengelernt.

Bei Doris habe ich mich direkt gut aufgehoben gefühlt. In ihrem Praxisraum ist eine offene und wohlige Atmosphäre. Ich habe mich schnell öffnen können, denn Doris redet nicht lange um den heißen Brei herum. Sie hat mich mit ihren Fragen abgeholt und mir warmherzig Zusammenhänge aufgezeigt, die mir vorher gar nicht klar waren. Die Bindungsanalyse mit der Kombination Hypnobirthing war für mich neu und ist heute noch jeden Tag für mein Kind und mich ein riesengroßes Geschenk. Und dabei hatten wir keine optimale Geburt, wie wir sie geplant und vorbereitet hatten.

Jede Woche war ich zu vorgeburtlichen Babystunden bei Doris. Für mich war das wie eine Auszeit, in der ich immer mehr bei mir selbst angekommen bin. In den Babystunden tauchten meine Ängste vor echter Nähe und mich „einlassen auf Kontakt“ auf. Hieran arbeiteten wir gemeinsam.

Meine Schwangerschaft war total unkompliziert und ich freute mich auf die Geburt.

Unsere Geburtserfahrung

 Ich vertraute mir und meinem Baby. Ich wusste, was ich tun kann, damit ich während der Geburt möglichst lange zu Hause bleibe. Das habe ich wunderbar geschafft. Als die Wehen alle 3 Minuten regelmäßig kamen, sind wir um 23.30 Uhr ins Krankenhaus gefahren.

Hier begrüßte mich eine abweisende gestresste Hebamme. Weil gerade viel zu tun war, wurden wir weggeschickt. Jetzt kam mir zu Gute, was ich bei Doris gelernt hatte. Nämlich dass ich bei jedem Geburtsverlauf gelassen bleibe und wie ich die gefundenen „Werkzeuge“ dafür einsetze. Mir hat es enorm geholfen zu wissen, dass nur mein Baby und meine Gebärmutter wissen, was sie tun müssen, damit mein Kind gesund geboren wird. 

Wie mein Baby und ich Komplikationen, die eine Schicht lang unerkannt blieben, gut bewältigen konnten

„10 % des Lebens sind genauso unplanbar wie bei einer Geburt“, sagte mir Doris. „Du musst mit dem Geburtsprozeß gehen, so wie er kommt. Wenn es ganz schlecht läuft, dann erlebt man Situationen, die keiner erleben will.“

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass genau das auf mich zukommen wird.
Ich habe mich so gut vorbereitet gefühlt, dass ich keine Angst bekam und weiterhin voller Freude und Selbstvertrauen mit meinem Kind und meinem Körper „geburtsgearbeitet“ habe. Eine knappe Stunde später lag ich an einem nicht funktionierendem Ultraschallgerät, mein laut Ärztin weit oben sitzender Muttermund hatte sich erst drei Zentimeter geöffnet. Ich sollte weiter spazieren gehen. Kam jedoch nur ein paar Meter weit und mache den Bericht meiner Geburtserfahrung jetzt mal kurz: Mein Partner hörte viele Stunden später eine sehr junge unerfahrene Hebamme sagen: „Ich gehe jetzt zur Mimose“. (Anmerkung: Dies ist Gewalt in der Geburt.)

Bis dahin hatte ich einige Stunden lang keinerlei Betreuung von einer Hebamme erhalten. Erst um 5 Uhr bemerkten Hebamme und Ärztin, dass der Muttermund immer noch weit oben und hinten sitzt und man jetzt daran ziehen wolle. Bitte, lass nie niemals an Deinem Muttermund ziehen!! Ohne weitere Diagnose und Aufklärung empfahl man mir eine PDA. Bis zur PDA sollte ich sitzen oder stehen, was sich später als für diese Komplikation komplett falsch herausstellte. Auf die PDA habe ich 1,5 Stunden lang gewartet.  Nach fünf Versuchen saß sie endlich. Der Schichtwechsel und meine bei Doris gelernten „Werkzeuge“ haben mir geholfen, die Geburt meines ersten Kindes zu retten. Denn erst die jetzt ihren Dienst antretende leitende Hebamme erkannte, dass mein Kind über Stunden mit dem Kopf die Gebärmutterwand in den Geburtskanal gedrückt hatte.

Dankbar

Dieser erfahrenen Hebamme bin ich genauso unendlich dankbar wie Doris. Die Hebamme leitete mich an zu Stellungswechseln, mit denen mein Muttermund sich nach unten und vorne zur Vagina hin bewegte. Sie machte klare Ansagen und half mir, als ich keine Kraft mehr hatte.

So habe ich es zu guter Letzt geschafft, mein Kind natürlich vaginal zur Welt zu bringen. Dass ich in der Schwangerschaft mit meinem Baby jede Woche einen echten intensiven Kontakt hatte, half mir enorm dabei, mit meinem Baby den beständigen sicheren Kontakt auch während der Geburt zu halten. Damit gab ich meinem Kind ein starkes Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Von dem wir heute noch enorm viel haben. Denn trotz des Stresses drumherum und der langen Geburt hatte mein Sohn in keinem Moment Stressanzeichen. Er blieb tiefen entspannt, kam so auf die Welt.

Ich bin dankbar, dass mein Kind keine Anzeichen für ein Geburtstrauma hatte. Ich habe mich schnell erholen können. Mein Kind (1,5 Jahre alt) hat noch keine Nacht geschrien. Tagsüber ist er fröhlich, hat ein super Urvertrauen. Wenn er sich wehgetan hat, weint er. Maximal ein paar Minuten.

 

Rückmeldung meiner Nachsorge Hebamme:
„Bei jeder anderen Geburt mit einer herkömmlichen Geburtsvorbereitung wäre das nach drei Stunden ein Notkaiserschnitt geworden.“

 

Patientenverfügung. Ein starkes Instrument für die Selbstbestimmung in der Geburt

von Christina Mundlos & Doris Lenhard

Sind Geburtspläne sinnvoll?

Vor einigen Monaten wurde ich von der Deutschen Hebammenzeitschrift gefragt, wie ich zu individuell entworfenen Geburtsplänen stehe, die Frauen zur Geburt mitbringen. Meine entnervte Antwort lautete: „Allein die Tatsache, dass wir darüber reden müssen, ob es sinnvoll ist, dass sich Frauen Gedanken über die Geburt ihres Kindes machen und ihre Wünsche aufschreiben, zeigt, wo wir in der Geburtshilfe stehen. Oft mokiert oder ärgert sich das Personal über diese schöne Möglichkeit, die Mutter als Individuum und nicht bloß als Nummer kennenzulernen. Das ist nicht nur anmaßend sondern auch frauenverachtend.“

Eigenverantwortung trifft auf Konflikt-Projektion

Natürlich beginnt die Verantwortung einer Frau in ihrer Mutterrolle bereits lange vor der Geburt des Kindes. Selbstverständlich ist es sinnvoll, sich vor der Geburt mit seinen eigenen Wünschen auseinanderzusetzen, diese schriftlich festzuhalten und dem geburtshilflichen Personal den Geburtsplan vorzulegen. Denn wenn wir genau hinschauen, handelt es sich hier nicht um Wünsche nach dem Motto „Wünsch Dir was!“ Stattdessen setzt sich eine Frau verantwortungsvoll damit auseinander, wie ihr Kind und sie eine Geburt körperlich gesund und seelisch gestärkt bestehen können – im besten Sinne unversehrt.

Das Problem ist nicht, die Existenz eines Geburtsplans. Problematisch ist, dass Geburtspläne von der Klinik ignoriert werden. Manche Hebammen fühlen sich durch das Formulieren der Wünsche der Mütter gekränkt, beleidigt, angegriffen oder infrage gestellt. Wie können Frauen auch auf die Idee kommen, sie wären die Expertinnen für ihre eigene Geburt, für ihren Körper und ihr Baby?! Nicht selten werden die Geburtspläne der Mütter daher ausgelacht oder abfällig kommentiert. Das geburtshilfliche Personal projiziert in die Wunschliste eigene ungelöste Konflikte der Anerkennung von Hebammen und des Machtkampfes zwischen Ärzt*innen und Hebammen hinein. Den berühmten Tritt nach unten bekommen die Gebärende und das Baby ab.

Patientinnen- und Menschenrechte werden missachtet

Oft genug hält sich unter der Geburt in der Klinik dann niemand an die Wünsche der Gebärenden – selbst wenn diese sie extra schriftlich eingereicht haben! Patientinnenrechte werden mit Füßen getreten. Genauso wie unser Grundgesetz: Denn die Würde des Menschen ist unantastbar.

Katastrophal ist, dass das Missachten der Wünsche der Mutter dramatische Folgen für den Geburtsverlauf hat. Jede Hebamme weiß, dass die für eine gute Geburt notwendigen Hormone von der Frau nur ausgeschüttet werden können, wenn sie sich absolut sicher fühlt. Dazu benötigt jeder Mensch, aber besonders die Gebärende Rückhalt.

So hat es auch Doris Lenhard aus Bonn erlebt.

Sie betreut und begleitet seit Jahren Schwangere und Mütter. Sie hat sich spezialisiert auf die vorgeburtliche Beziehung zwischen Eltern und Babys. Als Bindungsanalytikerin stärkt sie Frauen nach Fehlgeburten, traumatischen vorherigen Geburten oder weil sie schlicht und ergreifend einfach Angst vor der Geburt haben. Sie bereitet die Eltern und das Baby ganz konkret auf den Geburtsprozess vor mit einer Hypnobirthing-basierten Geburtsvorbereitung. Hier entwickeln Eltern ihren Geburtsplan anhand fundierter Aufklärung. Manche begleitet sie auch während der Geburt.

Die Geburten ihrer Klientinnen verliefen fast immer gewaltfrei. Die Mütter hatten sich mit ihr intensiv auf die Geburt vorbereitet, eigene Geburtserfahrungen verarbeitet, den Geburtsplan lange vor der Geburt mit den Ärzt*innen besprochen. Doris Lenhard hat sie als Doula während der Geburt begleitet. Zuletzt erlebte sie aber zwei Fälle, bei denen sich Ärzt*innen, Hebammen und Klinik einfach über die Wünsche und Rechte der Mütter hinweggesetzt haben – sogar in Lenhards Beisein. Die Geburtspläne wurden komplett ignoriert. Und das bei einer vorbelasteten Mutter. Obwohl die Klinik wusste, dass hier ein frühestes klinisches Trauma der Gebärenden beachtet und traumasensibel begleitet werden muss. Lenhard war schockiert.

Entwicklung der Patientinnenverfügung durch Doris Lenhard

Als ehemalige Rechtsanwaltsgehilfin kam die clevere Bonnerin dann auf die Idee, eine justiziable Patientinnenverfügung zu entwickeln, um den Wünschen der Mütter mehr rechtlichen Nachdruck zu verleihen. Die justiziable Patientinnenverfügung wirkt allein schon über ihre Begrifflichkeit. Worte sind Macht und formen unser Denken und lösen Reaktionen beim Gegenüber aus. Die juristische Konnotation einer justiziablen Verfügung ist der machtvolle Ausdruck einer Eigensinnigkeit im besten Sinne, der Eigenverantwortung, welcher dem Geburtsplan von Hebammen und Ärztinnen nicht zugestanden worden war.

Der Hinweis auf die Patientinnenrechte und darauf, dass es sich hier um ein rechtlich relevantes Dokument und nicht um einen Wunschzettel aus dem Poesiealbum handelt, führt letztlich dazu, dass das Klinikpersonal mit Eltern auf Augenhöhe kommuniziert und mittlerweile übliche Standards für konstruktive Patientenkommunikation und gesetzliche Standards für Patientenaufklärung einhält.

Inhalte und Aufbau der justiziablen Patientinnenverfügung

Die Patientinnenverfügung enthält ein Anschreiben, in welchem die Eltern zunächst darlegen, welche Kompetenzen sie bereits in der Vorbereitung auf die Geburt erworben haben. Im Anschluss formulieren sie Forderungen, die sie an die Klinik und das gesamte geburtshilfliche Personal stellen. Dass Lenhards Eltern sehr realistische Vorstellungen von den Abläufen im Kreißsaal haben, kann man schnell aus den Patientinnenverfügungen herauslesen. So stimmen sich die Mütter oft mit den Vätern ab, dass sich das geburtshilfliche Personal mit sämtlichen Äußerungen zum Geburtsfortschritt oder zur Erwägung von Eingriffen zunächst ausschließlich an den/die Partner*in wenden soll. Hierzu wird das Personal in der Verfügung dann aufgefordert. So wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es häufig die vielen unbedachten oder auch absichtlich ängstigenden Aussagen unter der Geburt sind, die dazu führen, dass die Mutter sich nicht mehr auf sich selbst und die Geburt konzentrieren und entspannt bleiben kann.

Mutter und Baby schütten Stresshormone aus

Sätze wie „Nur 1 cm in 2 Stunden“ oder „Vielleicht sollten wir jetzt langsam mal die Fruchtblase öffnen“ lösen physiologisch die Ausschüttung von Stresshormonen aus. Diese stören den Geburtsverlauf. Je nach individueller Vorgeschichte der Frau kann dies von leichter Irritation über Stress bis hin zur Reaktivierung eines Traumas reichen. Diese und ähnliche Stressoren führen dazu, dass Gebärende am Ende mürbe sind, sich ausgeliefert fühlen und Eingriffe über sich ergehen lassen. Während es in anderen Kulturen zum Allgemeinwissen gehört, dass ungeborene Babys empfindsame Wesen sind, die auf die Umgebung ihrer Mutter und deren Gefühle reagieren, bleibt dies in Deutschlands Kreißsälen weitestgehend unberücksichtigt. Der Körper der Mutter schüttet sofort Stresshormone aus. Auf den Stress reagiert das Baby, das mit Irritation reagieren kann. Das Baby wird in seiner Geburtsarbeit irritiert und behindert. Lenhards Klientinnen wollen sich mit der Verfügung auch abschirmen und einen Schutzraum schaffen. Alle Infos oder Wünsche des Personals gehen erstmal an die Begleitung der Gebärenden (Vater/Partner*in). Diese entscheidet dann, wie sie an die Mutter weitergetragen werden.

Mit der Patientinnenverfügung Gehör verschaffen

Was auch immer die Schwangeren an Forderungen in die justiziable Patientinnenverfügung aufnehmen, sie stellt ein wichtiges neues Instrument zur Selbstbestimmung dar und ist nur die logische Weiterentwicklung des Geburtsplans. Bedrücken muss einzig die Tatsache, dass sie überhaupt benötigt wird und dass Schwangere versuchen, sich mit Schriftstücken einen selbstverständlichen Schutzraum zu schaffen, den sie nicht mehr vorfinden, weil ihn die richtliniengeleitete, medikalisierte Geburt nicht vorsieht und er von einigen Hebammen oft verwehrt wird. Denn ursprünglich sind Patient*innenverfügungen entstanden, damit die eigenen Wünsche schriftlich vorliegen für den Fall, dass man eben nicht mehr ansprechbar ist und nicht mehr entscheiden kann. Gebärende sind aber (fast immer) noch ansprechbar und können ihre Wünsche und ihre Zustimmung oder Ablehnung mündlich äußern. Doch häufig verhallen ihre Stimmen ungehört. Schwangere brauchen diese Verfügung also weniger für Situationen, in denen sie nicht mehr sprechen können, sondern vielmehr für Situationen, in denen sie keiner hören will!

Justiziable Patientinnenverfügung wird erfolgreich eingesetzt!

Lenhards Klientinnen haben bislang durchweg positive Erfahrungen mit der Patientinnenverfügung gemacht. Zunächst sorgt sie regelmäßig für Irritationen bei Ärzt*innen und Hebammen. Ernst genommen und gehört wurden bisher aber alle der Mütter mit justiziabler Patientinnenverfügung!

Christina Mundlos* & Doris Lenhard

* Mehr Informationen über die Autorin, Beraterin, Doula und Speakerin Christina Mundlos finden Sie hier: http://christina-mundlos.de/